(Brot)jobs und Literatur

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Mir hat immer Thomas Bernhards Antwort auf die Frage gefallen, was er mache. Bernhard sagte, ich zitiere aus dem Gedächtnis: „Was mich betrifft, so bin ich kein Schriftsteller. Ich bin jemand, der schreibt.“ Das ist natürlich in aller gespielten Bescheidenheit auch aufgeblasen. Eigentlich würde ich gern gar nicht darüber reden, aber weil ich oft (oder bisweilen) darüber reden muss, tue ich es eben doch.

Schriftsteller, Autor, Texter, Journalist; all diese Worte habe ich schon über mich gesagt. Immer habe ich kurz gezögert, bevor das Wort dann fiel. „Ich bin [Pause] Autor.“ Ich denke, weil ich nicht glaube, das mir das zusteht: das Wort Autor weckt Erwartungen und Vorstellungen, die ich nur enttäuschen kann. Dass ich Pfleger bin, sagt sich viel einfacher: das glaube ich mir. Da weiß ich auch, wovon ich rede.

Ich schreibe, weil das eine angenehme Art ist, Zeit mit mir selbst zu verbringen. Ich freue mich, wenn mir dann Dinge gelingen und bin traurig, wenn es nicht funktioniert. Die Traurigkeit hält nicht lange an: Versuche ich es halt später nochmal, was soll’s. Geld spielt in dem ganzen Setting gar keine Rolle – ich bin, was Finanzen anbelangt, ohnehin unangenehm ignorant, bequem eigentlich. Nicht, dass ich je zu viel Geld gehabt hätte oder abgesichert wäre, bien au contraire. Ich hasse bloß alles bürokratische, und Geld ist ungemein bürokratisch. Da ist nichts romantisches bei übrigens, ich habe vielen Leute sehr viel Kummer und Arbeit gemacht mit dieser ignoranten, kindischen Haltung; ich bemühe mich, es besser zu machen, und es gelingt inzwischen auch oft; nicht immer.

An regulären Anstellungsverhältnissen hat mir immer dies gefallen: ich musste mich wenig kümmern. Nicht um die Krankenkasse, nicht um die Rentenversicherung, und die Steuer war auch angenehm übersichtlich. Das mit dem Gehalt war auch okay, aber nachrangig. Darum ging’s nicht in erster Linie.

Das scheint mir keine verbreitete Haltung zu sein. Ich habe gerade Brotjobs & Literatur gelesen, das aus sehr verschiedenen Perspektiven erzählt, wie es sich eigentlich mit Geld und Schreiben und all dem verhält. Das erste, was mir aufgefallen ist: Erstaunlich viele der Beitragenden haben Jobs in der Pflege gemacht. Mich wundert noch ein wenig mehr, warum es so wenige Romane über Pflege gibt. Aber das nur am Rande.

Viele (oder einige) beharren darauf, dass Schreiben ihr Brotjob sei, dass es darum ginge, die Schreibenden auch entsprechend zu entlohnen. Sabine Scho ist da besonders deutlich. Mich hat beim Lesen nie der Gedanke verlassen, dass ich es lieber hätte, alle Menschen könntenund dürften sorgenfrei leben, unabhängig davon, was sie leisten. Aber es ist mir auch klar, dass das ein sehr weltabgewandter, fast verträumter Gedanke ist, aus dem sich locker eine Haltung stricken lässt, der aber kaum konkrete Effekte hat. Die andere, die kämpferischere Haltung – wir wollen im Literaturbetrieb umverteilen, wir sind auch was wert – ist, wie soll ich sagen, produktiver.

Andererseits ist es schon so, dass ich mich in dem ganzen Betrieb nie wohlgefühlt habe, dass das also vielleicht deswegen gar nicht mein Kampf ist. Am ehesten identifizieren konnte ich mich mit einigen Passagen von Karosh Taha, der dieser ganze Literaturbetrieb auch suspekt ist. „Alle kennen sich.“ Wiederum andererseits: den meisten mir bekannten Autor*innen geht das so.

Dabei kenne auch ich viele Leute, vielleicht mach ich mir da was vor. Vielleicht bin ich nur den Schritt nicht gegangen, den viele Beitragende in diesem Band sich hart erkämpft haben: zu sagen, ja, ich bin Schriftsteller*in, ich bin Autor*in. Andererseits fehlt mir völlig das Bedürfnis, dass das auch als Arbeit anerkannt wird; es ist natürlich Anstrengung, auch der ganze Klimbim drumrum, es ist Mühe. Aber Arbeit?

Nochmal Taha: „Ich weiß: Kunst ist kein Luxus, den ich mir erlaube, sondern eine Notwendigkeit; Geld sollte nicht darüber bestimmen, was ich mache, und doch entscheidet Geld über alles, und dies zu ignorieren, bedeutet die Realität zu leugnen.“ Das stimmt schon, ich leugne, und ich bin bisher damit durchgekommen, für mich hat der Hahn noch nicht dreimal gekräht. Bloß wenn ich das dann umfassend erkannt habe, werde ich dann überhaupt noch schreiben wollen? Kann ich mich diesen Zumutungen, diesem gewogen werden nirgendwo entziehen?

Aber wie billig ist dieses sich entziehen; vielleicht, weil ich ganz früher träumte so zu leben wie diese Held*innen der Romane aus dem 19. Jahrhundert, und diese Träume mich dazu verleitet haben zu glauben, dieses sorglose, unstete Leben stünde mir auch zu. Tut es nicht; mein Ausweg war die Pflege. Wohl auch eine Flucht, oder eine Befreiung, kommt drauf an.

Okay, ich muss noch ein paar Rechnungen schreiben, die seit Monaten erledigt sein könnten.

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