Vom Verschwinden I

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Auf der Straße sehe ich niemandem mehr ins Gesicht. Früher einmal war ich neugierig, offen, ich habe viel gelächelt. Eine Freundin meinte einst zu mir, es sei schön mit mir durch die Stadt zu gehen, weil ich dauernd vor mich hersummte. Sie wird mich tatsächlich gemocht haben, denke ich, wenn sie eine derart nervtötende Angewohnheit fröhlich stimmte. Auch der Kontakt riss ab irgendwann: ich war zu sorglos.

Inzwischen reißen die Kontakte ab, weil ich zu besorgt bin. Mit Menschen Kontakt zu haben strengt mich an. Ihre Wirklichkeit ist derart weit weg von meiner, und selbst wenn sie sich Mühe geben zu verstehen glaube ich nicht, dass sie verstehen, was dreieinhalb Jahre Isolation mit einem Menschen machen. Ich verstehe es selbst nicht gut. Ich schaue auf die Person, die ich vor fünf, vor zehn Jahren war, und sehe mich nicht. Auch meine Vergangenheit verschwindet.

Faucis Satz, der eine Feststellung war und keine Warnung, man werde nun die Vulnerablen am Wegesrand zurücklassen, hat mich tief getroffen. On the wayside, sagte er, und ich komme nicht darüber hinweg, wie schön diese Formulierung klingt. The Wayside. Das wollte ich doch immer, nicht auf den Pfaden gehen, die alle anderen beschreiten. Aber es ist keine Verheißung, es ist eine Drohung, eine tödliche Drohung. Mehr noch: es ist ein tödliches Versprechen.

Ich habe früher Texte abgelehnt, die zu sehr das Ich in den Vordergrung rücken, die zu autobiografisch sind. Die Klebrigkeit dieser Texte, ihre Eitelkeit hat mich immer abgestoßen. Es fällt mir auch jetzt schwer, diese Sorte Text zu schreiben, ich würde gerne mit Max Dorner darüber sprechen, der eine große Virutosität in diesem Genre entwickelt hatte, derart groß, dass ich seine Texte lesen konnte. Aber auch er ist verschwunden, einfach fort.

Also werde ich mit mir selbst darüber sprechen, und ich will es öffentlich tun, obwohl es mir unangenehm ist; es klingt schnell selbstmitleidig, schnell bitter, aber auch pathetisch und therapeutisch. Max hätte gesagt, dass all das auszuhalten eine Form der inneren Resilienz sei, er hätte es sich nicht so ausgedrückt, er hätte eher sowas gesagt wie: Ihr Berliner (*innen, hätte ich in Gedanken hinzugefügt) mit eurer Abgebrühtheit und dann hätte er eine kurze Pause gemacht, die ihm selbst lang vorgekommen wäre, und dann etwas in die Richtung gesagt, dass sich für sich selbst zu interessieren der einzige Weg ist sich auch für andere zu interessieren.

On the wayside. Das ist jetzt mein Platz. wenn ich über diesen meinen Platz spreche, muss ich von mir sprechen, anders geht es nicht.

tbc

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