Autor: Frédéric

Sieht man doch

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ilse

Ein Bild in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige, eine alte Frau sitzt an einem Tisch, sie schläft, ihr Kopf ist vornübergebeugt, der Mund halb offen. Durch das Fenster scheint die Morgensonne. Was kann man da tun, fragt die Tochter, ich weiß nicht mehr was ich tun soll, ständig schläft sie so ein und will sich nicht hinlegen. Hast Du, fragt eine, sie denn schonmal gefragt, was sie will, ja, antwortet die Tochter, sie will so sitzen, […]

Der Frühstücksbrei

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ilse

(In ihrem Zimmer) Siehst du, ich zittere. Wenn das so ist, dann ist es immer ganz schlimm. Ich habe auch noch nichts gegessen heute morgen, wieviel Uhr ist denn? Ach, acht Uhr, schon so spät? Ich muss mich mal ein bisschen hinlegen. Wenn das so ist mit dem Zittern, kann ich auch nichts essen. So schlimm war es noch nie, nicht einmal früher, weißt Du. (Fünf Minuten später, in meinem Zimmer) Kannst Du mal kommen? […]

Fertig

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ilse

Ein Arztbesuch mit Ilse bedeutet mindestens 48 Stunden Nettoarbeitszeit, verteilt auf fünf Wochen. Das heißt, wenn es gut geht. Wenn es schief geht, auch gern das dreifache.Zuerst einmal muss herausgefunden werden, was eigentlich fehlt. Ist es der Weltschmerz oder ist es etwas konkretes, kann das Unwohlsein irgendwie eingegrenzt werden? Das gehört streng genommen gar nicht in die Arbeitszeit, das ist ein fortwährender Beobachtungs- und Bewertungsprozeß, weil irgendwas ist eh immer, und ich kann nur hoffen […]

Geschlagen werden

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ilse / pflege

Wie fühlst du dich jetzt, werde ich gefragt, aber das weiß ich nicht ehrlich gesagt. Ich weiß von Zorn, von Hilflosigkeit, von Schmerz. Vor allem aber weiß ich von Leere; es ist alles dumpf. Alles um mich herum, der Schrank, das Bett, die Zimmerpfanze, ist ein bisschen weniger da. Ich fühle mich gleichzeitig auch wohl, lebendig; auf eine gedämpfte Art euphorisch; das wird das Adrenalin sein. Aber zwischen mir und der Welt ist ein Graben, […]

(Brot)jobs und Literatur

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Allgemein

Mir hat immer Thomas Bernhards Antwort auf die Frage gefallen, was er mache. Bernhard sagte, ich zitiere aus dem Gedächtnis: „Was mich betrifft, so bin ich kein Schriftsteller. Ich bin jemand, der schreibt.“ Das ist natürlich in aller gespielten Bescheidenheit auch aufgeblasen. Eigentlich würde ich gern gar nicht darüber reden, aber weil ich oft (oder bisweilen) darüber reden muss, tue ich es eben doch. —Schriftsteller, Autor, Texter, Journalist; all diese Worte habe ich schon über […]

Helfen dürfen

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ilse / pflege

Ilse kehrt den Hausflur. Damit flucht sie viel, und zwar auf alle: auf die beschissene Hausverwaltung, die sich nicht um die Sauberkeit des Treppenhauses schert; auf die Arschlöcher von Mitmieter*innen, die den ganzen Dreck hereingetragen haben; auf diesen einen Dreckssack, der ihr vor zehn Jahren mal krumm gekommen ist, auf den besonders, dieses arrogante Stück Scheiße.Es ist alles besser als vor zwei Stunden; vor zwei Stunden war sie nur traurig. Sie sagt dann immer dreieinhalb […]

Wie ich einmal für die Sexualaufklärung einer ganzen Schulklasse gesorgt habe

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dorfjugend

Ich bin im Allgäu aufgewachsen, auf dem Dorf. Es ist ein sehr katholischer Flecken Erde, an jeder Straßenkreuzung sprießt ein Flurkreuz. Ich habe dort Bürgermeisterwahlkämpfe erlebt, da haben Kandidaten versprochen, ihre Freundin zu heiraten, weil ein Pfarrer in einer Sonntagspredigt moniert hatten, dass sie in Sünde lebten. Und das waren nicht die chancenlosen Schießbudenfiguren, sondern die Leute von der CDU. Es ist auch ein sehr reicher Landstrich. Es ist ein Doppelgaragen-Landstrich, wo es normal ist, […]

Drecksland

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ilse / pflege

Nachts um zwei ist wieder was los. Mein Zimmer grenzt an die Küche, und Tag und Nacht haben für Ilse nur noch marginale Bedeutung; häufig kriegt sie nachts um zwei Lust auf, sagen wir mal, eine heiße Milch. Blöderweise steht keine heiße Milch im Kühlschrank, man braucht einen Topf – den alten, verbeulten, blankgescheuerten am besten, in dem wird schon seit Jahren, vielleicht auch Jahrzehnten die Milch heiß gemacht. Dazu braucht es auch den Herd, […]

Schmerzen

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ilse / pflege

Ilse hat Schmerzen. Es ist schwer, Schmerzen zu beurteilen, man ist leicht dabei zu sagen: sie sind real oder nicht. Symptom oder Ursache. Oder halt beides. Ich weiß, dass sie manchmal Symptome vorspielt. Die zitternde Hand zum Beispiel ist eins ihrer Lieblingsstücke. Ihr geht es nicht gut, und dann sagt sie: „Siehst Du, wie meine Hand zittert! Dann ist es immer besonders schlimm.“ Sie schaut auf ihre Hand, keine sieben Sekunden später fängt sie zu […]